siebter Schritt
evolutionäre Entwicklungsstrategie

Durch die Fluktuation der Werte wird der Computer zum Werkzeug, um vielfältige Variatio- nen funktioneller Beziehungen zu erzeugen. Nachdem sich die Strukturen zu wiederholen beginnen, wird der Prozess unterbrochen und in einzelne Momentaufnahmen zerlegt. Nun beginnt die Arbeit des interdisziplinären Entwurfsteams: Sie untersuchen und differenzieren die Varianten nach den üblichen Kriterien wie städtebaulicher Kontext, Funktionalität, ästhetische Kraft, Konstruktion und Wirtschaftlichkeit. Varianten die wenig Potenzial auf einen qualitätvollen Entwurf erkennen lassen werden aussortiert, bei anderen, die in bestim- mten Bereichen Schwächen haben, wird der Datensatz mit denjenigen gekreuzt, die dort stärken aufweisen. Durch Streuung (Mutation), welche die Parameter wieder durch die Gaußsche Normalverteilung variiert, ergeben sich oft Zusammenhänge mit neuen, positiven Eigenschaften. So werden in mehreren Durchläufen gezielt Varianten gezüchtet, die über maximal positive Kriterien verfügen.

 


Abb. aus: das schriftbild der neuen musik,
erhard karkoschka
Zeichnung: Cage: Cartridge Music. Blatt 7

 

In einem konventionellen Entwurfsprozess muss sich der Architekt erst tagelang in das Raumprogramm einarbeiten, bis er zu einem ersten Entwurf gelangt, der auf das Wissen und die Erfahrung des Entwerfers zurückgreift und unsinnig erscheinende Möglichkeiten aussondert. Der Nachteil kann bei dieser Vorgehensweise gerade in der pragmatischen, unbewussten Vorselektion durch den Entwerfer gesehen werden, dem dadurch eventuell wichtige Lösungswege entgehen. Leicht neigt man aufgrund der hohen Komplexität dazu, das meist auf Anfangsprioritäten gestützte Konzept weiter auszuarbeiten, statt es wieder in Frage zu stellen und neue Varianten zu bilden. Der Entwurfsgenerator ist in kurzer Zeit mit dem Raumprogramm bzw. funktionalen Beziehungen gespeist und errechnet sofort beliebig viele Varianten, die Raumbereiche sinnvoll vorgeben. Der Entwerfer, in diesem Fall das Entwurfsteam, kann sich ganz der Diskussion und Selektion widmen. Das evolutionäre Programm wird nicht durch die Prägungen und vorgefassten, vermeintlich faktischen Meinungen eines einzelnen Entwerfers festgelegt. So entstehen kreative Lösungen, die ein menschlicher Entwerfer nicht hätte produzieren können.

 

Der evolutionäre Prozess kommt der Suche in einem Raum möglicher Varianten gleich. In der Mathematik wird 'Raum' im Allgemeinen aufgefasst als Menge von Elementen, zum Beispiel Punkte, Vektoren, Funktionen usw., zwischen denen bestimmte Relationen bestehen. Die genetische Kreuzung durchsucht diesen Raum und kombiniert verschiedene, gute Eigenschaften, was zu neuen Regionen im Raum führt, in welchen bessere Varianten zu finden sind. Durch Mutation können dagegen die besten Varianten in der direkten Umgebung gefunden werden.

 

 

Das Grundstück markiert eine städtebaulich schwierige Stelle. Eine Weiterführung der bestehenden Baukörper schafft neue Zwänge; die Ausbildung eines Gelenks erzeugt ebenfalls Probleme. Die ausgewählte Variante fügt sich dagegen sinnfällig ins umgebende Stadtgefüge ein. Sie überzeugt aufgrund eines Freibereichs im Nordosten als Pendant zu einem gegenüberliegenden Freibereich bzw. als Eingangsbereich zum gesamten Komplex mit zentralem Internetcafé. Positiv wurde ebenso der Freibereich an den Bahnlinien bewertet. Hier schien eine zukünftige Begrünung sinnvoll. Der Museums- und Schulungstrakt markiert den Schnittpunkt der Ganghoferstrasse mit den Bahnlinien und schafft ein Gegengewicht zur gegenüberliegenden Bebauung. Die Verzahnung von Forschung und Wohnbereich sollte ein produktives Arbeitsklima erwarten lassen.
Die gewählte Variante kann die Grundlage eines Gesamtentwurfs sein, eine räumliche Anordnung von Raumbereichen sinnvoll vorgeben, oder nur zur Inspiration dienen. Ein Ziel ist die Weiterentwicklung, welche die Erzeugung orthogonaler Strukturen zulässt.

 

 

 
 
 

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